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Unterhalt, Kindesumgang, behördliche Maßnahmen und Entschädigungen in Corona-Zeiten

Erstellt von Dr. Klaus Erfmeyer | | Familienrecht

Drängende familienrechtliche und verwaltungsrechtliche Fragestellungen in der aktuellen Krisenzeit

Drängende familienrechtliche und verwaltungsrechtliche Fragestellungen in der Krisenzeit

Ein Gedanke vorab:

Das beigefügte Foto - man nennt es in der heutigen Mediensprache Symbolbild - hat mit dem - ebenso symbolhaften - Bild des Coronavirus eine gewisse Ähnlichkeit, zeigt aber auch den signifikanten Unterschied:  Das Bild vom Virus zeigt ähnlich einem Stern "Strahlen" nach außen, das (viel sympathischere) Bild der sich findenden Menschen "strahlt" hingegen nach innen. Dies beschreibt die derzeitige Situation recht gut. Das Virus sprengt in gewisser Weise sicher geglaubte Prinzipien und Gewohnheiten unserer Gesellschaft. Auch in rechtlicher Hinsicht stehen Grundsätze auf dem Prüfstand, die bisher als unantastbar galten: Dürfen etwa Ärzte zu Diensten verpflichtet werden? - Darf die Handyortung ein legitimes Mittel zur Erforschung der Kontakte eines Menschen sein?

Viele sagen schon jetzt: Der Zweck heiligt die Mittel. - Meine Meinung: Die Gesundheitskrise kann zur Krise unserer gesamten Gesellschaft und der Prinzipien werden, die sie tragen. - Deshalb sollte das andere Bild unser Denken beherrschen: Das Zusammenkommen von uns allen, die wir unsere pluralistische Gesellschaft bilden und die in gemeinsamer Verantwortung eine Krise zu bewältigen haben, die in der Tat oftmals neues Denken erfordert.

Aber: Wir dürfen unsere Verfassung nicht über Bord werfen, die - mehr als wir im "normalen" Alltag spüren - ,unserem Leben einen Rahmen gibt und die Existenz eines jeden von uns würdigt und garantiert! 

Die - auch in ihrer Intensität - nicht absehbare Dauer der Corona-Krise führt zu nicht kalkulierbaren (weiteren) Einschränkungen unseres Lebens - und auch zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen.

Wir sollten nicht verkennen, dass alle Beteiligten, die derzeit das soziale Gefüge in der Bundesrepublik mit massivsten Beschneidungen elementarer Grundrechte belegen, oft auf (bewusst) unsicherer Tatsachengrundlage handeln und auch nicht ausgeschlossen ist, dass die Krise teilweise zur persönlichen Profilierung der verantwortlichen Akteure genutzt wird. Aus meiner Sicht stellt die Corona-Krise in bisher nicht geschehener Weise die zentralen Verfassungsprinzipien auf ihre Probe. Die Corona-Krise wird (auch) zur Bewährungsprobe für unseren Rechtsstaat werden, den wir zu verteidigen haben. Die Rechte des Einzelnen dürfen nicht entwertet werden und in einer Flut von "Allgemeinverfügungen" ertrinken, die in dem Sog der "Pandemie"- Bewegung untergehen. Wir haben nach meiner festen Überzeugung eine exzellente Verfassung. Berufen Sie sich auf sie und auf das in ihr verankerte System der Rechtsgüterabwägung! Es geht in diesen Zeiten um weit mehr als um die Eingrenzung eines Virus. Wehren Sie sich um Ihrer selbst und der Verteidigung einer Verfassungsordnung willen, die uns allen mehr als ein "Rahmen" unseres Lebens ist! - Unsere Verfassung ist die unumstößliche Basis unseres auf freiheitlich- demokratischen Grundprizipien beruhenden Denkens und damit die Grundlage unseres Tuns, das unsere Republik in ihrer Vielfalt lebenswert macht - und die zu verteidigen ist. Seien Sie Sie selbst in dieser Krise - unsere Verfassung sieht Sie nicht als Objekt, sondern als Subjekt unserer Gesellschaft. Gehen Sie nicht unter in einer Bewegung, die die Rechtsbeschränkung zur Normalität erklärt. Das ist nicht im Geiste unserer Verfassung! Das uns leitende Bild sollte das des Zusammenhalts sein, auch wenn räumlicher Abstand derzeit Ausdruck der Fürsorge ist.

 

Familienrecht: Umgangskontakte mit dem Kind

 

Die von Politik und Verwaltung geforderte Einschränkung sozialer Kontakte wirkt sich grundsätzlich auch unmittelbar auf die Umgänge von getrennt lebenden Eltern mit ihren Kindern aus. Der Wechsel des Kindes in den jeweils anderen Haushalt und der Kontakt mit den dort lebenden Personen (möglicherweise mit der Neufamilie des betreffenden Elternteils) ist zwangsläufig eine "Kontaktstreuung". 

Aber: Die Corona-Krise ist kein taugliches Argument, von dem einen Elternteil Kontakte des anderen Elternteils mit dem Kind willkürlich zu unterbinden.

Soweit Sie keine den besonderen Umständen Rechnung tragende einvernehmliche Lösung finden, sollten Sie auf die Durchsetzung der Umgangskontakte bestehen, soweit keine zwingenden Gründe dagegen sprechen. Ein Eingriff in das Elterngrundrecht bedarf besonderer Rechtfertigung. Es sind - soweit Eltern und/oder Kind zu den infizierten oder risikobehafteten Personenkreisen gehören - diese Umstände berücksichtigende Regelungen zu finden.Kinder brauchen ihre Eltern - auch in dieser Zeit!

 

Familienrecht: nicht mehr in der bisherigen Höhe leistbare Unterhalte

 

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise nehmen bereits jetzt dramatische Formen an. Vielfach wird der - durch Vergleiche, gerichtliche Beschlüsse oder anderweitig titulierte - Kindes- oder Ehegattenunterhalt nicht mehr oder nicht mehr in der bisherigen Höhe geleistet werden können, weil das der bisherigen Unterhaltshöhe zugrundeliegende Einkommen des Unterhaltspflichtigen nachhaltig (oder zumindest für einen längeren Zeitraum) wegbricht oder sich reduziert.

Bitte beachten Sie, dass Sie - soweit keine einvernehmliche abändernde Regelung getroffen werden kann - auf eine wirksame Inverzugsetzung des Unterhaltsgläubigers hinwirken müssen, um Ihre Rechte zu sichern. Näheres siehe auf dieser Homepage unter "Familienrecht", Stichworte "Abänderung von Unterhaltstiteln" und "Berechnung Kindesunterhalt" bzw. "Berechnung Ehegattenunterhalt".

 

Verwaltungsrecht: Allgemeinverfügungen, die die Gewerbefreiheit, Berufsausübungsfreiheit oder die allgemeine Handlungsfreiheit beschränken

 

Die örtlichen Verwaltungen "überschlagen" sich derzeit mit dem Erlass von Allgemeinverfügungen, die sich unmittelbar auf unser gesellschaftliches Leben und die Freiheit eines jeden Einzelnen auswirken. Sie folgen damit den entsprechenden ministeriellen Vorgaben, die ihrerseits regelmäßig den medizinischen fachlichen Empfehlungen (insbesondere des Robert-Koch-Instituts) folgen. Der im Verwaltungsrecht zumeist anzuwendende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verdichtet sich nach derzeitiger behördlicher Einschätzung in vielen Fällen auf "Null": Einschneidende Maßnahmen werden als zwingend angesehen, mildere Mittel als nicht gegeben bewertet. Was objektiv richtig oder falsch ist, kann derzeit nicht beurteilt werden.

Die Behörden handeln auf Basis der jeweiligen Gefahrenbeurteilung - dies ist notwendigerweise eine so genannte ex-ante-Betrachtung, also eine Bewertung auf Grundlage der derzeitigen und sich voraussichtlich entwickelnden Sachlage. Auf eine so genannte ex-post-Betrachtung (rückwirkende Bewertung nach der Krise) kann es nicht ankommen. Klar ist aber auch, dass im Nachhinein vieles auf den rechtlichen Prüfstand kommen wird. Beachten Sie bitte, dass eine Allgemeinverfügung ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist. Soweit Sie durch eine Allgemeinverfügung (definiert als die Regelung eines konkreten Sachverhaltes, bindend für alle, die vom Geltungsbereich der Allgemeinverfügung erfasst werden - Beispiel ist etwa die Verfügung der Stadt X, dass alle in der Stadt X ansässigen Gastronomiebetriebe ihren Geschäftsbetrieb einzustellen haben) rechtswidrig beeinträchtigt werden, bedarf es der gerichtlichen Anfechtung, die überdies fristgebunden ist. Die Anfechtungsfrist beträgt ein Monat nach Bekanntgabe der Verfügung.

Die Allgemeinverfügung ist darüberhinaus regelmäßig sofort vollziehbar. Deshalb bedarf es in diesen Fällen parallel der Beantragung eines gerichtlichen Eilrechtsschutzes, damit die Anfechtungsklage die sofortige Vollziehbarkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verwaltungsakt aufschiebt (Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage).

Eine nachträgliche (also verfristete) Berufung auf eine Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns, etwa zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, ist nicht möglich. Näheres siehe auf dieser Homepage unter Amtshaftungsrecht.

 

Verwaltungsrecht - Eingriffsmaßnahmen und Entschädigungsregelungen nach dem Infektionsschutzgesetz

 

a) Eingriffsmaßnahmen

 

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist derzeit eines der relevantesten Gesetze, weil es Ermächtigungsgrundlage für eine Vielzahl aktueller - mit der Gefahr durch die Ausbreitung des Coronavirus begründeter - behördlicher Maßnahmen ist. Bekannte Beispiele sind etwa § 30 IfSG (Quarantäne) oder § 31 IfSG (Berufliches Tätigkeitsverbot). Die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes sind diffizil und teilweise unbestimmt.

So heißt es in dem vorerwähnten § 31 IfSG:

"Die zuständige Behörde kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise  untersagen. Satz 1 gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht."

Man muss kein Jurist sein, um die "Dehnbarkeit" der gesetzlichen Formulierung zu erkennen. Die derzeitige - auch bei den Behörden bestehende - Unsicherheit wird zwangsläufig auch zu fehlerhaften Entscheidungen führen, die den Betroffenen in Existenznot bringen können.

Der derzeitigen Gefahrensituation mit einer angemessenen Verwaltungspraxis zu begegnen und dabei - trotz aller Eile - die gebotene Rechtsgüterabwägung verantwortungsvoll und rechtlich zutreffend zu vollziehen, dürfte derzeit die größte Herausforderung sein. Rechtsverkürzung  für den Einzelnen darf es nicht geben! Ohne Zweifel kommt es auch zur Bewährungsprobe für unseren Rechtsstaat.

Die Empfehlung kann auch hier nur dahin gehen, die verfügten Eingriffe in die eigenen Rechte auf Ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.

 

b) Zuschüsse und Entschädigungen:

 

- Zuschüsse (Soforthilfen)

 

Bundesregierung und Bundesländer haben verschiedene Soforthilfeprogramme aufgelegt, die die zwangsläufig auftretenden wirtschaftlichen Folgen für Unternehmen und ihre Mitarbeiter*innen abmildern sollen. Ob und wie lange diese Hilfen greifen, ist ungewiss. Empfehlenswert ist in jedem Fall eine sofortige Antragstellung, soweit die jeweiligen Antragsvoraussetzungen vorliegen.

Das politische Versprechen ist eingehalten worden! Das Land NRW hat von den am letzten Märzwochenende online gestellten Anträgen in kürzester Zeit (binnen 1-2 Tagen) 150.000 Anträge bewilligt und die beantragten Soforthilfen für Unternehmen ausgezahlt.

Man sollte sich allerdings darüber klar sein, dass es sich nicht um Zuschüsse handelt, die "wie ein Geschenk" beliebig und ohne Vorbehalt gewährt werden.

Es handelt sich um die Gewährung von Soforthilfen, die unter einer Zweckbindung stehen und - wie im Subventionsrecht üblich - mit Nebenbestimmungen versehen sind.

Die volle oder teilweise Rückzahlungsverpflichtung wird unter anderem vorbehalten,

- wenn die Finanzhilfe höher als der Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten ist,

- wenn die Zuwendung aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben des Antragstellers gewährt wurde,

Die Behörde ist zur weitreichenden Prüfung der korrekten Verwendung der Soforthilfe berechtigt; relevante Unterlagen sind 10 Jahre ab Gewährung der Soforthilfe aufzubewahren.

Spätere Rückforderungsbescheide sind wahrscheinlich, auch deshalb, weil die der besonderen Situation der Corona-Krise summarische Prüfungen erforderlich gemacht hat und nicht jeder Antragsteller / jede Antragstellerin die Reichweite der bei der Antragstellung abgefragten Sachverhalte verstanden hat oder sich im Nachhinein Klärungsbedarf hinsichtlich einzelner Sachverhaltskonstellationen ergibt, die in dieser Komplexität bei der Bewilligung des Zuschusses nicht bedacht worden sind.

Hier bedarf es eingehender verwaltungsrechtlicher Prüfung der Rechtmäßigkeit von Widerrufsbescheiden nach subventionsrechtlichen Regelungen.

 

- Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz

 

Einbußen haben nicht nur Unternehmen hinzunehmen, sondern auch Personen, die etwa durch die Anordnung der Quarantäne wirtschaftliche Nachteile erleiden.

Dies kann Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz eröffnen.

Mit den Entschädigungsregelungen der §§ 56 ff. IfSG besteht kaum praktische Erfahrung, weil es einen der derzeitigen Krise in seiner Intensität und Reichweite vergleichbaren Fall in der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat. Es wird sich zeigen, inwieweit die in Unglücksfällen häufig und auch in der Coronakrise versprochene unbürokratische und schnelle Hilfe realisiert wird. Das sich schon jetzt abzeichnende Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens der Krise für den einzelnen Bürger und die Gesellschaft im Ganzen wird realistischerweise nicht die Hoffnung nähren können, dass es so "unbürokratisch" wie versprochen - und bei den Zuschüssen auch realisiert - funktionieren wird.

Anträge auf Entschädigungszahlungen nach den §§ 56 ff. IfSG verlangen vom Anspruchsteller eine detaillierte Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen. Es empfiehlt sich, zeitnah rechtssicher und so vollständig wie möglich die Anträge zu stellen und die Darlegungsvoraussetzungen zu erfüllen. 

 

 

 

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