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Anfangsvermögen/Endvermögen

Soll der Zugewinnausgleich durchgeführt werden, bedarf es bei jedem Ehegatten der Ermittlung des jeweiligen Anfangsvermögens (Stichtag ist die standesamtliche Eheschließung; der Zeitpunkt der etwaigen religiösen Eheschließung ist hier nicht relevant) und zum Zeitpunkt des Endvermögens (Stichtag ist der Tag der Zustellung des Scheidungsantrages).

Die Ermittlung der jeweiligen Vermögensstände der Ehegatten zu den vorbezeichneten Stichpunkten ist quasi das „A und O“ des Zugewinnausgleichs. Auf Basis der erteilten Auskünfte beider Ehegatten über den Stand ihres jeweiligen Vermögens wird der Zugewinnausgleich durchgeführt. Er ist in der Konsequenz dann nur noch eine recht einfache Berechnung auf Basis der vorgegebenen Daten.

Vereinfacht dargestellt ermittelt sich der Zugewinn eines jeden Ehegatten aus der Formel „Endvermögen minus Anfangsvermögen = Zugewinn“ (vgl. auch Zugewinn/Zugewinnausgleich und Auskunft/Zugewinn). Sodann werden die Zugewinne beider Ehegatten einander gegenübergestellt. Derjenige Ehegatte, der den höheren Zugewinn erzielt hat, ist verpflichtet, die Hälfte der Differenz als Zugewinnausgleich an den anderen Ehegatten zu zahlen. Regelmäßig wird die Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung fällig.

Hierzu folgendes einfaches Beispiel:

  1. Ehefrau:

Anfangsvermögen: 10.000 €

Endvermögen: 50.000 €

Zugewinn Ehefrau somit: 40.000 €

  1. Ehemann:

Anfangsvermögen: null

Endvermögen: 70.000 €

Zugewinn Ehemann somit: 70.000 €

  1. Zugewinnausgleichsberechnung:

Differenz der Zugewinne: 70.000 € minus 40.000 Euro = 30.000 €

Zugewinnausgleichsanspruch der Ehefrau gegen den Ehemann: 50% von 30.000 € = 15.000 €

 

Bereits dieses einfache Beispiel zeigt, dass jeder Ehegatte im Rahmen der Zugewinnausgleichsberechnung daran interessiert ist, ein möglichst hohes Anfangsvermögen und ein möglichst niedriges Endvermögen zu haben. Denn nur so ist ein möglichst niedriger Zugewinn zu erzielen. Übersteigt das Anfangsvermögen das Endvermögen, ist kein Zugewinn erzielt (einen sogenannten negativen Zugewinn gibt es nicht).

Deshalb ist es besonders wichtig, das Vermögensverzeichnis sorgfältig zu erstellen - und auch die Vermögensauskunft des anderen Ehegatten auf Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu überprüfen, denn die „Lust“ zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunft ist vor dem Hintergrund des jeweiligen wirtschaftlichen Interesses in der Praxis nicht sonderlich ausgeprägt.

Einige Hinweise zum Anfangsvermögen:

Es liegt in der Natur der Sache, dass es gerade bei langjährigen Ehen schwierig ist, sich all der Vermögensgegenstände zu erinnern, die von einem Ehegatten mit in die Ehe gebracht worden sind. Noch schwieriger ist es häufig, die entsprechenden Positionen zu belegen, denn jeder Ehegatte ist für das von ihm behauptete Anfangsvermögen darlegungs- und beweisbelastet. Sie sollten jedoch im eigenen Interesse hier genau recherchieren. Häufiger als vermutet finden sich doch noch Nachweise über das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eheschließung vorhanden war (z.B. alte Sparbücher, Kontoauszüge, notarielle Urkunden, Fotos etc.).

Bitte beachten Sie, dass nach gesetzlicher Wertung Vermögen, welches ein Ehegatte nach der Eheschließung durch Schenkung oder Erbschaft erwirbt, im Zugewinnausgleich unberücksichtigt bleiben soll. Der Gesetzgeber hat dies so geregelt, dass der auf diese Weise erworbene Vermögensgegenstand mit dem Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung in das Anfangsvermögen gestellt wird.

Beispiel: Die Eheleute haben 2009 geheiratet. 2011 bekommt die Ehefrau von ihren Eltern 10.000 € geschenkt. 2018 wird die Ehe geschieden.

Im Rahmen des Zugewinnausgleichs sind die 10.000 € im Anfangsvermögen der Ehefrau zu berücksichtigen. Dies hat zur Konsequenz, dass sich der Zugewinn der Ehefrau um diesen Betrag mindert. Auf diese Weise ist er letztlich im Zugewinnausgleich entzogen. Hat die Ehefrau die 10.000 € während der Ehe verbraucht (etwa für eine Reise), sodass das Geld oder einen Gegenwert hierfür nicht mehr zum Stichtag des Endvermögens vorhanden ist, taucht diese Position folgerichtig dort nicht mehr auf.

Hat die Ehefrau für die geschenkten 10.000 € eine Antiquität erworben und hat diese zum Stichtag des Endvermögens noch genau diesen Wert, tauchen die 10.000 € als Zuwendung im Anfangsvermögen und als Antiquität mit gleichem Wert im Endvermögen auf. Der Zugewinn der Frau beträgt – allein auf diese Position bezogen – null.

Hat die Ehefrau beispielsweise von ihren Eltern im Jahr 2011 ein Haus geschenkt bekommen, welches zum Zeitpunkt der Zuwendung 150.000 € wert war, ist das Haus mit diesem Wert in das Anfangsvermögen der Frau einzustellen. Wenn sie es in der Folgezeit renoviert hat, sodass es zum Zeitpunkt des Endvermögens 200.000 € wert ist, ist dieser Betrag in das Endvermögen einzustellen. Hieraus wird deutlich, dass nicht der Wert der Zuwendung, sondern sich nur die Wertsteigerung (hier: 50.000 Euro) in der Zugewinnausgleichsberechnung auswirkt.

Wichtig ist darüber hinaus, dass das Anfangsvermögen auf heutige Wertverhältnisse inflationsbereinigt hochgerechnet wird. Dies erfolgt durch die sogenannte Indexierung des Anfangsvermögens. Gerade bei längerer Ehezeit erhöht sich der Wert des Anfangsvermögens (abzustellen ist in der Vermögensauskunft auf den damaligen Zeitwert) durch Indexierung beträchtlich.

Zum Zeitpunkt der Eheschließung vorhandene Verbindlichkeiten (Schulden) sind von dem Anfangsvermögen abzuziehen. Lebensversicherungen, die bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bestanden und zum Zeitpunkt des Endvermögens noch vorhanden sind, sind mit ihren jeweiligen Werten zu den beiden Stichtagen einzusetzen.

Einige Hinweise zum Endvermögen:

Jeder Ehegatte ist daran interessiert, dass das Endvermögen des anderen Ehegatten möglichst hoch und dessen Anfangsvermögen möglichst niedrig ist. Denn nur dann (und unter der Voraussetzung, dass der eigene Zugewinn niedriger ist) ergibt sich ein Zugewinnausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft des anderen Ehegatten zu seinem Endvermögen wird deshalb häufig bezweifelt. Das gilt insbesondere hinsichtlich solcher Vermögenspositionen, deren wertbildende Faktoren nicht ohne weiteres zutreffend eingeschätzt werden können (Geschäftsanteile, Praxiswerte, Zeitwerte von Vermögensgegenständen aller Art).

Hier ist akribisches Arbeiten erforderlich. Über Erfolg oder Scheitern im Zugewinnausgleichsverfahren wird zumeist bereits in der Auskunftsstufe entschieden. Es lohnt sich, die erteilten Auskünfte im Detail zu überprüfen. Nicht selten werden auch Vermögenspositionen „vergessen“.

Verbindlichkeiten mindern das Endvermögen (genauso ist es im Anfangsvermögen). Hier ist im Detail zu prüfen, ob die Verbindlichkeiten tatsächlich (und in der behaupteten Höhe) bestehen. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf „Privatdarlehen“ zu legen, die oft als Passivposten in das Endvermögen eingeführt werden. Häufig wird auch „vergessen“, dass einem Darlehen regelmäßig auch ein Wert gegenübersteht, etwa das erworbene Gut, welches mit dem Darlehen angeschafft worden ist.

Soweit die Vermögensauskunft des anderen Ehegatten bezweifelt wird, weil sie nicht vollständig und/oder inhaltlich nicht richtig erscheint, kann unter Umständen verlangt werden, dass der andere Ehegatte die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt versichert. Wirklich zielführend ist dies in der Praxis nicht. Verschweigt ein Ehegatte etwa, dass er ein Konto in der Schweiz unterhält, und weiß der andere Ehegatte hiervon nichts, kann dieser ja nicht einmal vortragen, dass das Vermögensverzeichnis unvollständig ist. Die bloße Ahnung, dass bei dem anderen „noch mehr sein müsse“, reicht nicht aus.

Streiten sich die Ehegatten darüber, mit welchem Wert ein bestimmter Vermögensgegenstand anzusetzen sei (etwa der Wert einer Immobilie, eines Unternehmens, einer Antiquität etc.), kann Klarheit nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geschaffen werden.

Wichtig: Im Gegensatz zum Anfangsvermögen kann es ein sogenanntes negatives Endvermögen geben (die Schulden übersteigen den Aktivwert des Endvermögens).

Der Ehegatte, der ein höheres Endvermögen des anderen Ehegatten behauptet als von diesem zugestanden, ist hierfür darlegungs- und beweisbelastet.

Von besonderer Bedeutung ist in der Praxis auf die Vorschrift des § 1375 Abs. 2 BGB: Dem Endvermögen eines Ehegatten wird der Betrag hinzugerechnet, um den dieses Vermögen dadurch gemindert ist, dass ein Ehegatte nicht plausibel zu erklärende Schenkungen gemacht hat, Vermögen verschwendet oder Handlungen in der Absicht vorgenommen hat, den anderen Ehegatten zu benachteiligen.

Die vorstehenden Ausführungen können nur einen kleinen Einblick rund um das Anfangsvermögen und Endvermögen im Rahmen des Zugewinnausgleichs geben. Bitte lassen Sie sich eingehend beraten! Es geht oft um sehr viel Geld und auch um schwierige Rechtsfragen, gerade dann, wenn es sich um Zugewinnausgleichsverfahren dreht, in denen erhebliche Vermögenswerte von Bedeutung sind.