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Zugewinn/Zugewinnausgleich

Haben Ehegatten nach deutschem Recht geheiratet und nicht kraft Ehevertrag den Güterstand der Gütertrennung oder Gütergemeinschaft gewählt, leben sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Begriff deutet auf den ersten Blick auf eine Gütergemeinschaft hin, dies ist jedoch falsch. Die Zugewinngemeinschaft ist eine Form der Gütertrennung. Das bedeutet, dass jeder Ehegatte Eigentümer der Vermögensgegenstände bleibt, die er mit in die Ehe eingebracht hat und Eigentümer aller Vermögensgegenstände wird, die er während der Ehe zu Alleineigentum erwirbt (Abweichendes gilt beim Hausrat).

Wenn die Ehe geschieden wird, findet der sogenannte Zugewinnausgleich statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt und die sogenannte Folgesache Zugewinn mit in das Scheidungsverbundverfahren einbringt.

Beim Zugewinnausgleich werden die Zugewinne beider Ehegatten jeweils getrennt berechnet und einander gegenübergestellt. Das bedeutet, dass bei jedem Ehegatten das sogenannte Anfangsvermögen (Vermögen zum Stichtag der Eheschließung) und das Endvermögen (Vermögen zum Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrages) berechnet werden. Die Differenz zwischen dem Endvermögen und dem Anfangsvermögen bildet den Zugewinn eines jeden Ehegatten. Sind die Zugewinne unterschiedlich, muss der Ehegatte, der einen höheren Zugewinn erwirtschaftet hat, die Hälfte der Differenz an den anderen ausgleichen. Der Ausgleichsanspruch ist stets auf Zahlung gerichtet, nicht auf Übertragung von Vermögensgegenständen.

Beispiel: Die Ehefrau geht mit einem Anfangsvermögen von Null in die Ehe. Ihr Endvermögen beträgt 60.000,00 €. Ihr Zugewinn beläuft sich folglich auf 60.000,00 €. Der Ehemann geht mit einem Anfangsvermögen von 10.000,00 € in die Ehe. Sein Endvermögen beträgt 100.000,00 €. Sein Zugewinn beläuft sich folglich auf 90.000,00 €. Die Differenz beider Zugewinne beträgt 30.000,00 €. Die Ehefrau hätte folglich einen Zugewinnausgleichsanspruch gegen ihren Ehemann in Höhe der Hälfte der Differenz, also in Höhe von 15.000,00 €.

So einfach wie in der vorstehenden Berechnung gestaltet sich der Zugewinnausgleich in der Praxis regelmäßig nicht. Die Schwierigkeiten fangen meist damit an, dass Meinungsverschiedenheiten über den behaupteten Wert eines Vermögensgegenstandes bestehen. Dies ist insbesondere bei Immobilien, Bewertung von Unternehmen, Praxen, Geschäftsanteilen und Wertpapieren der Fall, aber auch bei der Bewertung von werthaltigeren Alltagsgegenständen, wie etwa teurer Unterhaltungselektronik, Autos etc.

Darüberhinaus stehen dem Aktivvermögen häufig Verbindlichkeiten (Schulden) gegenüber, die das Endvermögen in einzelnen Fällen nicht nur auf „Null“ reduzieren, sondern sogar zu einem negativen Endvermögen führen können. Ob und in welchem Umfang Verbindlichkeiten im Rahmen der Wertermittlung der Vermögen zu berücksichtigen sind, bedarf im Einzelfall der genauen Prüfung.

Es ist wichtig, das Zugewinnausgleichsverfahren von Anfang an mit Akribie zu betreiben. Nicht selten hat der Ausgang des Verfahrens existenzielle Bedeutung für beide Ehegatten. Zugleich besteht immer wieder die Gefahr, dass gerichtliche Verfahren über den Zugewinnausgleich (meist im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens) sich bei komplexeren Sachverhalten über Jahre in die Länge ziehen. Hier ist in besonderer Weise darauf zu achten, nach Möglichkeit einvernehmliche Lösungen herbeizuführen, die rechtlich und wirtschaftlich sinnvoll sind, jedoch den oft (finanziell und nervlich) ruinösen Rechtsstreit deutlich abkürzen, der sich für die Parteien zum Desaster entwickeln kann, ohne dass das damit erzielte Ergebnis zu dem Aufwand im Verhältnis steht.

Ziel sollte sein, ein rechtlich und wirtschaftlich vernünftiges Ziel zeitnah zu erreichen. Ungeachtet der zerbrochenen Beziehung haben die getrennt voneinander lebenden Ehegatten regelmäßig ein gemeinsames Ziel: Sie wollen wirtschaftlich und persönlich neu anfangen und benötigen hierzu in jeder Hinsicht eine sichere Perspektive.

Die Chance einer guten Regelung ist oft dann gegeben, wenn Anfangsvermögen und Endvermögen der Ehegatten – gegebenenfalls unter Zuhilfenahme externen Sachverstands (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer etc.) hinreichend aufgeklärt sind und über verbleibende Streitpunkte bei unwesentlicheren Vermögenspositionen Kompromisslösungen gefunden werden können. Hierzu gehört auch die in der Praxis ganz wichtige Regelung, wie der Zugewinnausgleichsbetrag geleistet werden soll. Mit der gesetzlichen Regelung, dass der gesamte Betrag zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung zur Zahlung fällig ist, ist oft zumindest einem der Beteiligten nicht gedient. Hier gibt es in der individuellen Vertragsgestaltung elegantere und zielführendere Lösungsmöglichkeiten!